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"Raum, Geist und Atmung – Über die Essenz der japanischen Kampfkünste"

2019-05-09 11:56:46 | 日記
ハンブルク大学研修センター Ringvorlesung: Japan – Annäherung an ein Geheimnis 講演シリーズ:日本‐その秘密へのアプローチ/https://blog.goo.ne.jp/admin/entry?eid=a04b637bf334bb61d6614abeb60bbb25/
 08.05.2019, 18 Uhr/2019年5月8日(水)18時
 "Raum, Geist und Atmung – Über die Essenz der japanischen Kampfkünste mit kurzer Vorführung des Aikidos" 
Noboru Miyazaki  M. A. , 3 Dan, Aikikai, ehem. Abteilung Japanologie, Asien-Afrika-Institut, Universität Hamburg 
「間、心、そして息 ‐ 合気道を例に日本武道の本質について」
 宮崎登、合気道3段、元日本学科専任講師、
アジア・アフリカ研究所、ハンブルク大学
 Ort: HafenCity Universität Hamburg Überseeallee 16, 20457 Hamburg, Raum 150
 所:ハーフェンシティ大学、150号室 

Inhaltverzeichnis 

I. 起(KI=Beginn): Entstehung des Samurais als Samorafu (Befehlsemfänger) für Dienstherrn und als Sakimori (Wächter an den Grenzen), 
II. 承(SHO=Entwicklung): Bewaffneter Schützer für Dienstherrn (Samorafu→Saburau→Saburai→Samurai)
 III. 転(TEN=Wendung): Etablierung der Samurai Klasse → Beamtentum, ca 500 Dojos/ Schule für Kampfkünste zur Ausbildung der Beamten (Samurai) 
VI. 結(KETSU=Schluss): Budo, Das Buch der fünf Ringe, Hagakure über Bushido, Aikido 

Kurz vorweg: Wundern Sie Sich bitte nicht, wir machen kein Cosplay! Wir stehen heute deswegen in unseren Aikidoanzügen vor Ihnen, weil wir in unserer kleinen Vorführung so auftreten wollen, wie es auch im Training aussieht. 

I. 起(KI=Beginn): Entstehung des Samurais als Samorafu (Befehlsemfänger) für Dienstherrn und als Sakimori (Wächter an den Grenzen)

Vielen Dank für Ihre netten Worte, Herr Prof. Böhme! Liebe Studierenden, meine Damen und Herrn, es ist mir eine große Ehre, Ihnen von einem der wichtigsten Bestandteile unserer Kultur erzählen zu dürfen, nämlich dem Budo. Budo ist der Oberbegriff für alle japanischen Kampfkünste. Passenderweise ist heute ein höchst denkwürdiger Tag, an dem hier auch von Kriegskünsten die Rede sein wird, denn der 8. Mai 1945 ist der Tag der Kapitulation von Nazi-Deutschland. Japan hat drei Monate später am 15. August bedingungslos kapituliert. Allerdings sprechen die Japaner von diesem Tag als dem Tag des Kriegsendes, nicht wie die Deutschen vom Tag der Kapitulation. Hier zeigt sich der gravierende Unterschied zwischen den beiden Ländern in ihrer Haltung zur Vergangenheitsbewältigung. Das ist zwar nicht unser heutiges Thema. Es erscheint mir aber soweit als wichtig, da in Japan gerade vor einer Woche mit dem Rücktritt des alten Kaisers Heisei eine neue Zeitrechnung - genannt Reiwa - angebrochen ist. Die Zeichen dafür, dass mit unserem neuen Reiwa-Kaiser oder Tenno ein Stück in die richtige Richtung der Vergangenheitsbewältigung gegangen wird, stehen nicht schlecht. 
Nun aber komme ich zu unserem heutigen Thema: Wir möchten zuerst ein paar Schwert-Techniken aus dem Aikido zeigen, damit Sie einen Eindruck bekommen können, wie diese Kampfsportart heute aussieht. 
Wenn man von den japanischen Kampfkünsten redet, denkt man an die Samurais - und das mit Recht. Samurais waren die Krieger des alten Japans. Wir kennen in der europäischen Tradition eine ähnliche Klasse - nämlich die Ritter. Ein Samurai war ursprünglich als eine Person definiert, der an der Seite von hochrangigen Personen darauf wartete, Befehle zu empfangen. Das änderte sich im siebten und achten Jahrhundert allmählich. Die Aufgabe der Samurais war nun vorrangig, als bewaffneter Wächter an den Grenzen oder als Beschützer eines Herrn zu dienen. In dieser Zeit verlor die Zentralregierung um den Tenno immer mehr ihren Einfluss auf die Provinzen, was zur Folge hatte, dass die Bauern sich bewaffneten, um sich zu schützen. Daraus entwickelte sich eine neue Kriegerklasse um die Provinzfürsten. 
Zur gleichen Zeit etablierte sich in der damaligen Hauptstadt Japans Kyoto eine Adelsklasse nach dem Muster Chinas, die sehr viel Zeit für kulturelle Aktivitäten aufbrachte. Dazu gehörte, Gedichte, Romane oder Tagebücher zu schreiben. Zwei Werke von Hofdamen aus dieser Epoche errangen den Status von Welt-Literatur, nämlich der Roman „Die Geschichte des Prinzen Genji“ von Murasaki Shikibu und die tagebuchartigen Essays „Das Kopfkissen Buch“ von Sei Shonagon. Der Adel verbrachte auch viel Zeit mit Fußball im Hofgarten oder mit der Jagd. Ihre Hauptätigkeiten bestanden aber darin, Audienzen abzuhalten oder religiöse Zeremonien zu veranstalten, wobei der Tenno durch die Regentschaft der äußerst einflussreichen Adelsfamilien zunehmend zum symbolischen Herrscher degradiert wurde. 

II. 承(SHO=Entwicklung): Bewaffneter Schützer für Dienstherrn (Samorafu→Saburau→Saburai→Samurai) 

Ende des zwölften Jahrhunderts kam dann ein Wendepunkt für die Samurai-Klasse. Von 1180 bis 1186 gab es landesweit Zusammenstöße zwischen zwei Samurai Sippen, nämlich zwischen dem Taira-Clan und dem Minamoto-Clan. Der Minamoto-Clan gewann und dessen Oberhaupt Yoritomo wurde Oberbefehlshaber von Japan mit der Bezeichnung Shogun. Die Shogune wurden damit praktisch zu den neuen Herrschern Japans. Yoritomo begründete 1192 in Kamakura westlich vom heutigen Tokyo seine Shogunatsregierung, die erste Kriegerherrschaft in Japan. Von dieser Zeit an herrschte die Samurai-Klasse übrigens beinahe tausend Jahre lang bis 1868 über Japan. 
Die erste Shogunatsregierung in Kamakura ordnete an ,dass sich die Samurais neben ihren Tätigkeiten als Bauern oder auch als Verwaltungskräfte täglich in den Kampfkünsten üben sollten. Im Grunde legten sie damit den Grundstein für eine japanische Armee. Ein historischer Glücksfall - so könnte man von heute aus gesehen sagen, denn als die Mongolen 1274 Japan mit Armeen von 30.000 bis 40.000 Mann überfielen, sind sie auf erbitterten Widerstand gestoßen, maßgeblich getragen von den Samurai-Soldaten, die sich seit der Machtübernahme Yoritomos fast hundert Jahre lang täglich in den Kriegskünsten geübt hatten. Den Mongolen blieb nichts anderes übrig, als ihre Armeen ohne nennenswerte Erfolge zurückzuziehen. Als die Mongolen 1281 zum zweiten Mal Japan angriffen - diesmal mit 150.000 Soldaten und der damalig weltweit größten Flotte von 4.400 Kriegsschiffen, war das Land noch besser vorbereitet und konnte die Feinde auf der Insel Kyushu drei Monate lang in Schach halten. Am 30. Juli 1281 kam den Japanern ein Taifun zur Hilfe und wütete in der Bucht von Fukuoka, wo die mongolische Flotte dicht nebeneinander vor Anker lag. Dieser Taifun wurde seither Götterwind, auf Japanisch Kamikaze genannt..- ein Wort, das im 2. Weltkrieg auf traurige Weise missbraucht wurde. Die Verluste damals waren verheerend: von 4.000 Schiffen haben nach der Überlieferung nur 200 den Taifun überstanden. Die Zahlen sind wahrscheinlich übertrieben, aber wieder mussten die Mongolen fliehen und konnten wegen der überall aufgebauten Schutzwälle nicht einmal auf das Festland fliehen. 

III. 転(TEN=Wendung): Etablierung der Samurai Klasse → Beamtentum, ca 500 Dojos/ Schule für Kampfkünste zur Ausbildung der Beamten (Samurai) 

Da das heutige Thema nicht die chronologische Darstellung der Erfolgsgeschichte der Samuraiklasse ist, springe ich ca. 200 Jahren nach vorn in die Zeit der kämpfenden Staaten vom Ende des 15. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. In diesen hundert Jahren kämpften alle gegen alle, Vater gegen Sohn, Brüder gegen Brüder, Untertan gegen Herrscher. Viele Filme des weltbekannten Regisseurs Akira Kurosawa behandeln diese Zeit. Wer im Krieg unterlegen war, verlor seine Stellung und irrte als herrenloser Samurai, genannt Ronin, durchs Land. Ein Ronin musste seine Kampfkünste also unter erschwerten Bedingungen unter Beweis stellen, um eine neue Stellung zu finden. So entwickelten viele Ronin sehr individuelle Kampftechniken. Zudem entstanden noch ein wenig später in der Edo-Zeit von 1603 bis 1868 zahlreiche Schulen für den Schwertkampf, die Verwaltungsbeamte ausbildeten, denn diese mussten neben ihrer Tätigkeit als Beamte auch Kämpferfähigkeiten vorweisen. Soweit die kurze Darstellung der Etablierung der Samurais als beherrschende Klasse Japans. 

VI. 結(KETSU=Schluss): Budo, Das Buch der fünf Ringe, Hagakure über Bushido, Aikido Nun komme ich zum Kampfsport selber, dem Budo. 

Die also seit dem 17. Jahrhundert bestehenden Schulen für den Kampfsport gaben in verschiedensten Disziplinen Unterricht, die ich Ihnen hier zur Veranschaulichung aufzählen möchte: Schwert, Bogen, Speer, Dolch und Kurzschwert für den Nahkampf, Schwertziehen (Iai), Stock (杖120 und 棒180 cm) , Schwimmtechiniken, auch mit Rüstung, Naginata (Ranzte für Frauen), Jujitsu (Ursprung von Judo und Aikido), Kettensichel, Reiten, Geschützkunst (wurde 1543 von den ersten Europäern in Japan, den Portugiesen mitgebracht), Jitte (kurzer Metallschlagstock mit seitlichem Haken, Metalfächer für Polizisten ), Gewichtkette, Metalpeitsche, Festnahmetechniken, Festnahmestock, Ninjutsu mit Wurfmesser und Wurfstern und Spucknadel. 
1584 wurde der legendäre Schwertkämpfer Miyamoto Musashi geboren, der das „Buch der fünf Ringe“ verfasste. Darin beschreibt er die Essenz des Schwertkampfes, bei dem es um Leben und Tod geht und der keinen Raum für Spekulationen zulässt. Ein weiteres bedeutendes Buch von 1716 über das Wesen des Samurais, heißt „Hagakure“ = auf Deutsch „Hinter den Blättern“ und ist eine elfteilige Theorieschrift in Gesprächsform über den Bushidō, - was „Weg des Kriegers“ bedeutet. Darin sagt Yamamoto Tsunetomo: „Das höchste Gebot für einen Samurai ist die absolute Loyalität gegenüber dem Dienstherrn“ und „Bushido bedeutet jeder Zeit bereit zu sein, für den Herrn zu sterben.“ Ein Bushi hat in der Kampfsituation um seines eigenen Lebens willen absolut ein Realist bzw. Pragmatiker zu sein. Er müsse beim Kampf den optimalen Moment zum Gewinnen erkennen. Die Wahrnehmung der Bewegungen des Gegners muss durch und durch empirisch und rational sein. Musashi sagte auch ganz einfach: „Wenn man als Samurai zwei Schwerter trägt, warum setzt man dann nicht diese beiden Schwerter im Kampf ein?“ So entstand seine Schule Nitenichi, was wörtlich übersetzt heißt: „Zwei Himmel in Eins-Schule“. 
Wenn ein Mensch über das innere Wesen seiner Existenz nachdenkt, forscht er nach dem Sein und Dasein in seinem Bewusstsein - im Osten genauso wie im Westen. Ein Kenner der japanischen Philosophie, Elmar Weinmayr, weist darauf hin, was Heidegger in seiner Vorlesung über Nietsche formuliert hat: 

„Wir meinen zwar, ein Seiendes werde dadurch zugänglich, dass ein Ich als  Subjekt ein Objekt vorstellt. Als ob hierzu nicht vorher schon ein Offenes walten müsste, innerhalb von dessen Offenheit etwas als Objekt für ein Subjekt zugänglich---werden kann!“ (NII 138) 
Gute zehn Jahre vorher 1924 schreibt der berühmteste Philosoph Japans            Nishida Kitaro: 
„Damit das Bewusstsein und der Gegenstand sich aufeinander beziehen können, muss es etwas geben, das beide in seinem Inneren einschließt. Es muss so etwas geben wie einen Ort, in dem sich beide aufeinander beziehen. Was ist es, das die beiden sich aufeinander beziehen lässt?“ (4,211) (S.42, Japan und Heidegger, Hrsg. Im Auftrag der Stadt Meßkirch von Hartmut Buchner, 1989) 

Es ist eine erstaunliche Tatsache, dass die beiden Philosophen zu der Zeit noch nichts voneinander wussten, aber nach Weinmayr auf die gleiche Fragestellung nach dem Phänomen des Seienden stoßen. 
Für einen Samurai war es das zentrale Anliegen, sich selbst als Seiender in der Kampfsituation dem Gegner gegenüber real zu erkennen. Nach Musashi muss er als Kämpfender in die Sphäre des Seins eintreten, damit er nicht mehr als Seiender da ist, sondern nur IST, um vor dem Gegner praktisch zu verschwinden. Das Phänomen bezeichnete Musashi als „Munenmuso“ - im Deutschen: Auflösung aller Gedanken im Nichts, Abgelöst-Sein von allem Gedanklichen, auch absolute Gemütsruhe. Der bekannteste Kanon des Buddhismus lautet nämlich: „Alles ist nichts und nichts ist alles“ (Shiki soku ze ku, ku soku ze shiki). Das bedeutet, dass der Kämpfer als Seiender im Sein nichts und alles ist, was aber genauso für den Gegner gilt. Ich und der Gegner sind als reines Sein eins, aber als Kämpfender muss sich jeder selbst erkennen. Wie kann das funktionieren? 
Musashi schrieb in seinem Buch:

„… dass es nicht nur in der Kampfkunst sondern in allen Dingen auf Zeitpunkt, Ablauf, Atmung, d.h. Kokyu und auf die jeweilige Atmosphäre ankommt.“ Musashi bezeichnete das insgesamt als Takt bzw. Rhythmus. „Man sollte nicht dem Takt zuwiderhandeln, sondern sich dem Fluß des Rhythmus anpassend bewegen“. (Im Kapitel Erde) 

Hier finden wir eine der wichtigsten Begriffe für meine Sportart, das Aikido, nämlich Kokyu d.h. Atmung. 
Wenn ein Kampf zwischen zwei Subjekten stattfindet, soll es um die Wahrnehmung oder das Erkennen des anderen gehen. Ohne den anderen zu erkennen, kann man nicht adäquat auf die Handlung des anderen reagieren. Das setzt aber auch voraus, dass man sich selbst kennt. Namhafte Samurais praktizierten deshalb Zazen oder die Tee-Zeremonie, wobei es um Meditation und das Eins-werden-mit-der-Welt, d.h. absolute Konzentration auf das Sein als Seiender geht. Ekiho Miyazaki, das Oberhaupt der zenbuddhistischen Soto-Schule des berühmten Eiheiji Tempels sagte in einem Interview: 

„Zazen d.h. Meditation bedeutet: nicht denken.“ Was heißt das? Vorher und Nachher im Leben abzuschneiden. Menschen haben Gier, Ehrgeiz, Begierde, Triebe usw. - der Überbegriff dafür ist Yoku - im Deutschen  Selbstbezogenheit, Eigennützlichkeit, vielleicht sogar Egoismus, die es zu überwinden gilt. Wie kann man das erreichen? Miyazaki sagt weiterhin: Das Ziel ist, mit der Atmung (Iki) eins zu werden. Dann gibt es keinen Suki (auf Deutsch Lücke oder Spalt), wodurch das Yoku - also der Egoismus sich einschleichen kann. 

Damit haben wir die zentralen Begriffe der japanischen Kampfkünste eingeführt - nämlich Iki bzw. Kokyu/Atmung und Suki/Spalt. 
Ich beginne mit dem Suki. Dabei geht es um den Raum zwischen den Kontrahenten, den man in der Kampfsituation als allererstes adäquat zu erkennen hat. Dieser Zwischenraum zeigt sich sozusagen in zwei Richtungen, nämlich im vorwärts- und rückwärtsgehen der Kämpfer. Hier ist der japanische Begriff Maai sehr wichtig, der „Distanz zum Gegner“ bedeutet. Wenn Sie in einem Samurai-Film eine Duell-Szene sehen, stehen sich meist zwei Kämpfer mit vorgestreckten Schwertern gegenüber und versuchen in stetiger Bewegung die günstigste Distanz einzuschätzen. Diese zu erkennen reicht aber noch nicht zum Angriff. Man muss auch den Suki des anderen erkennen, nämlich die Spalte zum Inneren des Gegners. Um in dieser Situation den richtigen Moment zum Angriff zu erkennen, muss ein Kämpfer frei von Yoku sein, das heißt nach Miyazaki: er muß „mit der Atmung (Iki) eins werden“. Was kann in so einem Moment passieren?
Ich bin weder Mystiker noch Esoteriker, aber ich erlebte tatsächlich folgendes: 

Als ein Aikido Meister mit dem Rang des 7. Dan mich aufforderte, ihn anzugreifen, tat ich das. Im nächsten Moment lag ich auf dem Boden, und zwar so, als wäre mir der Atem abgeschnitten und ich klebte so schwer auf die Matte gepreßt, dass ich mich einen Moment lang nicht bewegen konnte.

Was ist da eigentlich passiert? Nach Elmer Weinmayr befinden wir uns in der Spaltung der Welt in Subjekt und Objekt. Zitat: „Auf Grundlage des intentionalen Charakters des Bewusstseins kann dieses Problem aus einer Perspektive der transzendentalen Phänomenologie erläutert werden, welche die Möglichkeiten von Bewusstseinsakten überhaupt erklären will“. Das heißt: mein Bewusstsein als ein handelndes Subjekt nimmt den Meister als Objekt wahr, sonst kann ich ihn ja gar nicht angreifen. Aber in dem Moment meines Angriffs ist das Objekt aus meinem Bewusstsein verschwunden. Sozusagen habe ich MICH im Eifer des Angriffs vergessen oder verloren, was der Meister sofort als Suki bei mir erkannt hat, so dass er durch diese Lücke in mein Inneres eindringen konnte. Das heißt: er hat mein Bewusstsein mit seinem vereint und so sein Ziel erreicht, nämlich mich im gewissen Sinne bewusstlos auf die Matte zu werfen. 
Aiki vom Wort Aikido bedeutet die Harmonie der geistigen Energie. Es kann auch die Anpassung meiner geistigen Energie an die des Gegners bedeuten und umgekehrt. Im Kampf hat meine geistige und physische Energie als Angreifer eine Richtung und Geschwindigkeit, um die Distanz zu überwinden. Der Meister hat sich in diesem Moment an meine Energie angepasst oder sich mit ihr harmonisiert und sie sich zu eigen gemacht, so dass er mit meiner und seiner Energie nur noch die Richtung zu ändern hatte. So bin ich praktisch mit verdoppelte Energie auf die Matte gefallen. Noch einmal anders gesagt: Die geistige und physische Kraft eines Angreifers wird also im besten Fall vom Gegner aufgenommen und gegen den Angreifer zurück geleitet. 
Das können Sie vielleicht schwer glauben und ich hätte es auch vor diesem Erlebnis für so etwas wie ein Hirngespinst gehalten. Aber nach dieser persönlichen Erfahrung weiß ich, dass es den Begriff Meister nicht ohne Grund gibt und als Lernender bin ich ein Stück bescheidener und aufrichtiger geworden. Das heißt, ich versuche bewusster und konsequenter zu lernen. Da ich 1968 mein erstes Studium Soziologie in Japan aufgenommen habe, bin ich im wörtlichen Sinne ein Alt68´ger. Ich bin also von der ersten Stunde an mit der Antiautoritätsbewegung vertraut. Daher möchte ich unterstreichen, dass die obige Erkenntnis nicht banal die Unterwerfung gegenüber der Autorität des Meisters bedeutet, sondern die Anerkennung oder das Erkennen seiner durch jahrelange Übung angeeigneten Fähigkeiten. 
Musashi sagte, um sich einen einzigen richtigen Schlag des Schwertes anzueignen, der im Einklang mit Himmel und Erde geschieht, muss man abertausende Male das Schwingen des Schwertes üben, d.h. wir können nur durch Quantität zur Qualität gelangen. Qualität oder auch Kreativität kann erst durch Routine erreicht werden. Wer die Formen nicht beherrscht, kann keine kreative Inhalte hervorbringen. Was man durch Quantität - also unzählige Male die gleiche Technik bis zur Routine einzuüben - erreichen kann, ist ein Automatismus, der ohne Bewusstsein die zu übende Technik, also den Inhalt ausführt. Wir stellen tatsächlich in der Regel nach dem Training oder bereits während des Trainings fest, dass der Kopf leer ist. Wir bewegen uns natürlich mit dem Partner nach bestimmten Mustern oder vorgegebenen Formen, aber im Idealfall der gelungenen Übung verschwinden Ziel und Zweck, das heißt der Inhalt der Übung aus dem Bewusstsein. Dieses Phänomen könnte man als Befreiung von sich selbst bezeichnen. Diese Selbstbefreiung tut gut. Das empfinden viele nach dem Training. Man fühlt sich wie innerlich gereinigt. Das gilt wahrscheinlich auch für andere Sportarten, aber ich kann natürlich nur für das Aikido gewissenhaft sprechen.
Wir möchten nun eine kurze Vorführung geben. Vielleicht sehen Sie ein wenig von dem, was ich oben erläutert habe. 
Wenn es um Sport geht, redet man oft von Talent, aber versuchen Sie doch einfach mit dem Aikido anzufangen. Was Sie dafür brauchen ist nur Zeit und Ausdauer. Nach meiner Überzeugung bedeutet Talent in erster Linie Ausdauer. Ich bin weder sprachlich noch sportlich begabt, wie ich genau weiß, aber ich kann mittlerweile einigermaßen verständliches Deutsch sprechen, und ich kann Aikido mit meinem 70 Jahre so praktizieren, dass ich im Training mit Zwanzigjährigen zwei Stunden ohne Probleme mithalten kann. Und das kann ich nur, weil ich seit 40 Jahren ca. zweimal in der Woche trainiere. Also einfach anfangen und dabei bleiben. Ich glaube, das heißt leben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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