Eine Deutsche in Japan

Reflektionen, Erlebnisse, Beobachtungen

Mundschutz

2020-05-11 | Alltag


Mund-Nasen-Masken (noch ohne Gummiband)

Ob und inwieweit die Stoffmasken zur Verhinderung der Ausbreitung des Corona-Virus beitragen, bleibt dahingestellt. Das Aussuchen der Schnittmuster und Stoffe, das Überlegen, welches Stoffmuster zu welcher Kleidung passt, ist jedenfalls ein Zeitvertreib, bei dem man für eine Weile alles vergessen kann. Und wenn man die Masken so aufreiht, sehen sie doch schön aus. Man könnte auf die Idee kommen, noch mehr zu nähen und sie zu verkaufen.  

In jungen Jahren, als meine Zeit in Japan noch nicht in die Jahrzehnte gegangen war, hatte ich drei Prinzipien aufgestellt, denen ich bis zum Ende meines Lebens in diesem Lande treu bleiben wollte.

  1. Ich werde stets meinen deutschen Nachnamen benutzen, auch wenn ich heirate.
  2. Ich werde meine deutsche Staatsangehörigkeit nicht aufgeben.
  3. Ich werde nie eine Mund-Nase-Maske tragen.

Weshalb sich diese Prinzipien in meinem Kopf festgesetzt haben, ist mir heute unklar. Vielleicht waren sie mit ein Grundstein meiner Identität. Würde ich auch nur einem dieser Prinzipien untreu werden, so wäre ich nicht mehr ich. So glaubte ich.

Welch ein Blödsinn!

Weder Staatsangehörigkeit, noch Familienname, noch das Tragen von Masken machen die Identität aus. Alles nur Oberflächlichkeiten, die nicht am Grundstein des Ichs rütteln und über die ich inzwischen lachen kann.

Wenn es mir passt, benutze ich den Namen meines Mannes. Japanische Staatsangehörigkeit wäre vielleicht bequemer, denke ich manchmal. Und Mund-Nasen-Masken halten zumindest einen großen Teil der UV-Strahlung ab, sodass man sich nicht so viel Sonnencreme ins Gesicht schmieren muss, denn Sonnenbräune ist in Fernost kein Schönheitsideal.   


8. Mai 2020

2020-05-10 | Alltag

Auszug aus der gestrigen E-Mail meiner Mutter:

Gestern war der 8. Mai. Es wurde an das Jahr vor 75 Jahren, den Tag der Kapitulation gedacht. Ich kann mich noch gut an diesen Tag erinnern, als morgens die Amerikaner in Lüchow einzogen und danach auch unser Haus in der Dannenberger Straße besetzten. Wir mussten das Haus bald räumen und wohnten vorübergehend bei Omas Bekannten, einem Ehepaar Wissel, in der Lappstrasse. Da wir ein Schwein, Hühner und auch Entenküken hatten, musste Oma immer wieder in die Dannenberger Straße, um das Vieh zu versorgen. Es war für Oma nicht einfach, und sie hatte immer Angst, das Haus zu betreten. Die Amis haben Oma zwar nichts getan, machten sich aber den Spaß, Oma zu erschrecken. Die Soldaten hatten nämlich unser Schwein im Stall mit Farbe bunt angemalt. Irgendwann wurde es geschlachtet. Es war für Omi eine schlimme Zeit. Sie musste mit der Situation ohne männlichen Beistand fertig werden, sehen, wie sie Lotti und mich versorgen kann und dass sie selbst nicht schlapp macht.

Eine schreckliche Zeit. Ich war damals erst 11 Jahre alt und keine Hilfe für Oma. Nach 75 Jahren und aufgrund der Berichte und Bilder im Fernsehen kommen die Erinnerungen wieder hoch.

Arme Omi - sie hatte kein einfaches Leben.


KIRAWAY - 北根室 RANCH WAY

2019-09-10 | Walking

KIRAWAY (Nord Nemuro Ranch Way) ist eine 71 km lange Wanderstrecke (aufgeteilt in sechs Etappen) im Osten Hokkaidos, die vom Nakashibetsu (中標津) Busbahnhof über den kleinen Nakashibetsu Flughafen bis zum Bahnhof Biruwa (美留和) der Kushiro-Abashiri Bahnline (釧網本線) führt (siehe http://kiraway.net/en_index).

Während das Bergwandern in Japan sehr beliebt ist, scheinen weniger anstrengende Wanderungen, die meistenteils über Feld- und Waldwege durchs Flachland gehen, nicht populär zu sein. KIRAWAY ist wenig bekannt. Auf den Wanderwegen trifft man so gut wie niemanden. Wirklich schade, denn die Strecke ist gut durchdacht angelegt. Sie führt durch eine vielfältige Landschaft, die einen guten Eindruck von Osthokkaido vermittelt.

Die Wanderwege sind ausreichend und geschmackvoll im einheitlichen Stil beschildert, sodass man sich kaum verlaufen kann.

Die Wegweiser:

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Die Hauptstationen der Wanderstrecke:

  • Nakashibetsu Busbahnhof (中標津バスターミナル)
  • Nakashibetsu Flughafen (中標津空港)
  • Kaiyodai Aussichtspunkt (開陽台)
  • Restaurant "Stall" (レストラン牧舎)
  • Yoro-Ushi Thermalbad (養老牛温泉)
  • Mt. Moan (モアン山)
  • Nishibetsu Hütte (西別岳山小屋)
  • Mt. Nishibetsu (西別岳) (799 m)
  • Mt. Mashu (摩周岳)  (857 m) (Abstecher als Option)
  • Kratersee Mashu erster Aussichtspunkt (摩周湖第1展望台)
  • Biruwa Bahnhof (美留和駅)

Etappe 1: Nakashibetsu Busbahnhof - Kaiyodai Aussichtspunkt (14.7 km)


Nakashibetsu Flughafen mit Blick auf Mt. Musa (1005 m)


Typischer Waldweg


Ländliche Gegend

Etappe 2: Kaiyodai Aussichtspunkt - Restaurant "Stall" (9.9 km)


Kaiyodai(開陽台


Ausblick von Kaiyodai


Ausblick von Kaiyodai


Ländliche Gegend


Ländliche Gegend mit Bergen (rechts Mt. Musa) im Hintergrund


Saeki  Landgut (佐伯農場)mit Restaurant "Stall" (レストン牧舎)

Etappe 3: Restaurant "Stall" - Yoro-Ushi Thermalbad (8.9 km)


Yokota Landgut (横田牧場)


Yokota Landgut (横田牧場)


Waldweg

Etappe 4: Yoro-Ushi Thermalbad - Nishibetsu Hütte (17.4 km)


Karamatsu Thermalbad (Freiluftbad)


Im Hintergrund Mt. Moan


Mt. Nishibetsu (799 m) und Mt. Mashu (857 m)


Mt. Moan


Sumpfland


Fluss Keneka


Feldweg


Nishibetsu Hütte

Etappe 5: Nishibetsu Hütte - Kratersee Mashu erster Aussichtspunkt (11.0 km)


Beginn der Etappe 5 (Nishibetsu Hütte)


Anstieg zum Mt. Nishibetsu


Mt. Nishibetsu (799 m)


Blick von Mt. Nishibetsu auf Berg und Kratersee Mashu


Blick auf Mt. Mashu

 

Abzweigung Mt. Mashu / Mt. Nishibetsu / Kratersee Mashu erster Aussichtspunkt 


Mt. Mashu


Blick von Mt. Mashu auf Mt. Nishibetsu


Blick von Mt. Mashu auf Mt. O-Akan und Me-Akan (雄阿寒岳/雌阿寒)


Blick von Mt. Mashu auf Mt. Shari (斜里岳)


Blick von Mt. Mashu auf Mt. Mokoto (藻琴山)


Parkplatz (Kratersee Mashu erster Aussichtspunkt) 

Etappe 6: Kratersee Mashu erster Aussichtspunkt - Biruwa Bahnhof (6.6 km)


Endstation: Biruwa Bahnhof (美留和駅) 


Teshikaga – eine Stadt am Aussterben?

2019-09-06 | Gedanken und Reflektionen

Teshikaga (弟子屈), eine Stadt im Osten Hokkaidos, hat alle meine Vorstellungen übertroffen. Niemals hätte ich gedacht, dass der Verfall in Japans ländlicher Gegend so weit vorangeschritten ist.

Teshikaga ist ideal, um der Hitze der Großstädte zu entfliehen und sich in der kühlen Region im Norden des Landes zu erholen. Ja, in diesem Sommer war es kühl in Teshikaga, manchmal sogar fast kalt. Es hat lange Zeit geregnet. Die Wolken hingen Tag für Tag tief. Und wenn es einmal nicht regnete und die Straßen trocken zu sein schienen, brachte der Wind feine Tropfen mit sich, sodass die Kleidung feucht wurde. Das trübe Wetter schlug aufs Gemüt, ließ keine heitere Stimmung aufkommen. 

Was jedoch am meisten bedrückte, war das Stadtbild. Die Hotels haben die Türen zugemacht und verfallen. Die Fenster sind mit Brettern vernagelt, auf dem Dach wächst Gras, Teile der Gebäude sind in sich zusammengefallen. "Man kann das doch nicht einfach so vergammeln lassen. Was wird sein, wenn da einmal ein Feuer ausbricht?" So meine Gedanken. 

Dann die Innenstadt. Geschäfte gibt es so gut wie nicht mehr. Die wenigen Läden, welche sich noch gehalten haben, sind veraltet und unschön, wie alles in der Stadt. Nichts lockt zum Hineingehen und Stöbern. Es gibt nichts, was ein "Großstadtmensch" kaufen möchte. 

Vielleicht dreißig bis vierzig Prozent der Wohnhäuser stehen verlassen da. Man reißt sie nicht ab. Sie sind ohne Bewohner und verrotten. Teilweise wuchert das Unkraut, hoch bis zu den Schultern. 

Auf den Straßen sieht man wenig Leute. Alles ist ruhig und still, wie ausgestorben. Nur manchmal wird die Stille von der Sirene eines Krankenwagens unterbrochen. Wieder ein kranker alter Mensch oder ein Toter bedeutet in dieser Stadt sicherlich wieder ein leeres Haus. 

Wie konnte eine Stadt so verfallen und aussterben? Und das, obwohl sie heiße Quellen hat und von der schönsten Natur, dem Akan-Nationalpark mit den Kraterseen Kussharo und Mashu, umgeben ist.

Verfallene Hotels

 

Verlassene Geschäfte und Einrichtungen

Leere Wohnhäuser



Trost

2019-07-05 | Gedanken und Reflektionen

Er kann keinen Trost spenden, weder mit Worten noch mit körperlichem Ausdruck. Er steht nur hilflos daneben und wartet, bis das Weinen abebbt. Dann widmet er sich wieder wortlos seiner Arbeit oder fährt fort, die Zeitung zu lesen, so als wäre nichts gewesen. Er fragt nie: 'Was hast du denn?' Es scheint ihn nicht zu interessieren, was sie bewegt. Sie schluchzt. Sonst herrscht Schweigen zwischen ihnen.

Trost darf nicht gefordert werden. Echter Trost kann nur gespendet werden.

Doch einmal hat er versucht zu trösten, indem er ihr mit der Hand den Rücken streichelte. Das war, als sie den Anruf mit der Nachricht, ihre Oma sei in der Nacht gestorben, erhielt. Ein seltener Moment in ihrer Ehe. Sogar er kann sich daran erinnern, sie damals berührt zu haben, um Trost zu spenden.

Wer ist er? Sie weiß es noch immer nicht.